EPILOG

 

Ist dein Wunsch eigentlich in Erfüllung gegangen?«, fragte Sarah.

 

Matt streckte die Hände nach der Schneekugel aus, die sie hielt, und drehte sie nach allen Richtungen. Er warf einen Blick auf Kate. Seine Kate. Im Kamin tanzten und züngelten die Flammen. Die Drake-Schwestern waren gerade dabei, einen Baum mit Wurzelballen zu schmücken, den sie für das Weihnachtsfest ins Haus geholt hatten. Am nächsten Tag würden sie ihn auf ihrem Grundstück neben vielen anderen Nadelbäumen wieder einpflanzen.

Im ganzen Haus roch es nach Zedern, Kiefern und Zimt. Auf dem Kaminsims standen Kerzen, die nach Beeren dufteten, und aus der Küche drang das Aroma von frisch gebackenen Plätzchen. Jonas tauchte in der Küchentür auf. Er hatte sich eine Schürze umgebunden und sein Gesicht und seine Hände waren mit roter und grüner Glasur verschmiert. »Niemand hat mich gefragt, ob mein Wunsch in Erfüllung gegangen ist«, beklagte er sich.

»Du benimmst dich wie ein Kleinkind, Jonas«, teilte Joley ihm mit und rümpfte die Nase. Sie griff nach seinen Schürzenbändern und zog ihn in die Küche zurück. »Schließlich warst du derjenige, der behauptet hat, Plätzchenbacken sei kinderleicht und wir sollten mal probieren, es auf die altmodische Art zu tun.«

Jonas entkam ihr und raste ins Wohnzimmer zurück. »Ihr! Von euch war die Rede!«, protestierte er. »Frauen backen Plätzchen. Dafür sind sie da. Sie sitzen im Haus herum und sind hübsch anzusehen und sie halten einen Teller mit Plätzchen und ein Getränk für ihren Mann bereit, wenn er nach Hause kommt.«

 

Jonas grinste die Frauen höhnisch an. Matt stöhnte, schlug sich die Hände vors Gesicht und linste verstohlen durch seine Finger. Er spürte bereits die Kraft, die sich in der Luft zusammenbraute. Vorhänge bauschten sich. Haare stellten sich auf. Elektrizität knisterte und sprühte. Die Flammen der Kerzen und das Feuer im Kamin loderten und züngelten. Jonas behielt die Schwestern im Auge und erwartete ganz offensichtlich Repressalien. Aber der Angriff kam von hinten. Das kleine Aquarium schwebte durch die Luft und kippte einen Teil seines Inhalts über seinem Kopf aus. Wasser strömte über ihn. Jonas zuckte zusammen, aber er drehte sich nicht um und er versuchte auch gar nicht erst, sich das Wasser aus dem Gesicht und den Haaren zu wischen.

»Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass heute Weihnachten ist«, sagte er. »Und dass ihr alle gerade aus der Kirche zurückgekommen seid.«

Joley setzte sich ans Klavier. »Und wir sind alle von Liebe und Gutmütigkeit erfüllt, Jonas. Nur deshalb schwimmst du jetzt nicht mit den Haien im Meer. Soll ich etwas Fröhliches spielen?«

»Oh, ja, Joley, bitte, tu das«, bettelte Hannah. »Obwohl ich im Moment auch so schon ziemlich fröhlich bin«, fügte sie gehässig hinzu.

»Das kann ich mir denken«, murrte Jonas. Er nahm das Handtuch, das Libby ihm reichte, und rieb sich das Gesicht und seine Haare trocken.

Hannah warf ihm eine Kusshand zu.

»Matt hat meine Frage nicht beantwortet«, hakte Sarah nach.

»Die Schneekugel erfüllt nur die Wünsche der Familie«, sagte Abbey.

Die Lautstärke der Musik schwoll an und erfüllte jeden Winkel des Hauses mit Freude. Matt hörte das Lachen von Frauen und spürte, wie sein Herz darauf reagierte. Kate lief mit einem Ornament in der Hand um den Baum herum. Sie bewegte sich mit Anmut und Eleganz, seine perfekte Kate. Als sie seinen Blick auf sich ruhen fühlte, sah sie ihn an und lächelte.

»Ja, das ist wahr, Abbey«, sagte Sarah. »Sie erfüllt nur die Wünsche unserer Familie. Matt? Hat die Schneekugel dir deinen Wunsch gewährt?«

Er räusperte sich. »Ja.« Seine Stimme klang heiser.

Joleys Finger verharrten über den Tasten. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Libby streckte eine Hand nach Hannah aus. Abbey schlang ihren Arm um Elle. Sämtliche Drakes sahen Matt an. Kates Schwestern. Die Hexen von Sea Haven, die magische Kräfte besaßen. Er fand, er passte gut zu ihnen.

»Was hast du dir gewünscht, Matthew?«, fragte Sarah. Sie setzte sich auf Damons Schoß und schlang ihm die Arme um den Hals.

»Katie natürlich, was denn sonst?«, antwortete er wahrheitsgemäß.

Kate kam auf ihn zu und beugte sich herunter, um ihn zu küssen. »Und ich habe mir dich gewünscht«, flüsterte sie laut.

»Dann hat dieses kleine Schmuckkästchen in deiner Jackentasche also etwas zu bedeuten?«, fragte Elle.

»Es bedeutet, dass Kate ja gesagt hat«, sagte Matt. Er gelangte allmählich zu der Überzeugung, dass dieses alberne Grinsen zu einem festen Bestandteil seiner Gesichtszüge wurde und nicht mehr wegzudenken war.

Jonas schüttelte den Kopf. Er war immer noch damit beschäftigt, sich trocken zu nibbeln. »Du hast sie schlicht und einfach dadurch, dass du es dir von der Schneekugel gewünscht hast, dazu gebracht, ja zu sagen?«

»Mehr war nicht nötig«, sagte Matt. »Aber du hast es ja selbst gehört. Sie sagen, dass die Kugel nur die Wünsche von Familienangehörigen erfüllt. Ich vermute, sie hat akzeptiert, dass Kate und ich zusammengehören.«

»Wirklich? All das kann sich diese Kugel zusammenreimen?« Jonas starrte die Schneekugel an, die jetzt im Regal stand und ganz harmlos wirkte. »Nur, wenn man zur Familie gehört, so, so. Also, ich für meinen Teil gehöre zur Familie, so weit ich zurückdenken kann.«

Ein kollektiver Seufzer entfuhr den sieben Drake-Schwestern, als Jonas nach der Schneekugel griff.

»Nein! Jonas, rühr sie nicht an.« Hannahs Stimme klang verängstigt.

»Du kannst sie nicht aktivieren, Jonas«, sagte Sarah.

Seine Hand verharrte dicht über der Schneekugel und Jonas wirkte unentschieden. Matt hätte schwören können, dass er in der Stille, die sich plötzlich herabgesenkt hatte, Herzen lauthals schlagen hörte. Jonas griff nach der Kugel. Sowie er sie in den Händen hielt, erwachte sie zum Leben. Die winzigen Lichter auf dem Baum schimmerten und der Nebel begann zu kreisen.

»Jonas, stell die Kugel sofort wieder ins Regal zurück und halte Abstand von ihr«, warnte ihn Joley.

»In diesem Haus darf man nicht mit Gegenständen spielen«, fügte Elle hinzu. »Sie könnten gefährlich sein.«

»Jonas«, sagte Abbey, »das ist gar nicht komisch.«

Jonas drehte sich zu den Frauen um und hielt die Kugel geistesabwesend in den Händen. »Solltet ihr nicht alle in der Küche sein und das Abendessen für uns kochen? Jackson kann jeden Moment kommen. Er ist auf ein echtes Weihnachtsessen mit allem Drum und Dran eingestellt und ihr habt ihm nichts weiter vorzusetzen als ein paar Plätzchen, die ich gebacken habe.« Während er das sagte, hielt er seinen Blick auf Hannah gerichtet. Seine Handfläche rieb die Kugel unablässig, als könnte er einen Dschinn heraufbeschwören.

»Wage es bloß nicht, dir etwas von dieser Kugel zu wünschen, Jonas Harrington«, zischte Hannah. Sie wich tatsächlich einen Schritt vor ihm zurück. »Das mit dem Aquarium tut mir leid. Und meine albernen Streiche mit deinem Hut auch. Und jetzt stell die Kugel ins Regal zurück und denk an gar nichts. Dann sind wir quitt.«

»Sieh ganz genau hin, Matt«, sagte Jonas, um Hannah zu verspotten. »Das versteht man unter Macht.«

»Aber in den Genuss wirst du nicht lange kommen«, sagte Kate. Sie streckte die Hand nach der Schneekugel aus. »Gib sie mir und hör auf, Hannah zu quälen. Sonst sehen wir uns gezwungen, dir zum Abendessen Drachenleber vorzusetzen.«

»In Ordnung«, willigte Jonas ein. Er schaute in die Glaskugel. »Sie ist wirklich wunderschön.« Aber statt sie Kate zu reichen, sah er lange gebannt hinein. Der Nebel wirbelte umher wie verrückt und verbarg das Haus vollständig, bis nur noch die Lichter auf dem Baum loderten, bevor der Nebel sich langsam auflöste, das Glas wieder ungetrübt war und die Lichter erloschen. Erst dann reichte er Kate die Kugel.

Lange Zeit herrschte Stille. Jonas grinste die Schwestern an. »Ich habe mir doch nur einen Spaß erlaubt. Ihr nehmt immer gleich alles so ernst.« Er versetzte Matt einen Rippenstoß. »Ich bin kein Träumer wie mein Freund hier. Ich dächte gar nicht daran, eine Schneekugel über mein Schicksal bestimmen zu lassen. Jetzt kommt schon, lasst uns diesen Truthahn tranchieren.«

Kate ließ sich von Matt küssen und sah ihm nach, als er sich mit Damon und Jonas in die Küche zurückzog. Sie schloss sich ihren Schwestern an, als sie, wie jedes Jahr, einen Kreis um den Baum herum bildeten und einander an den Händen fassten, um den Kreis zu schließen. Die Deckenbeleuchtung ging aus und sie blieben im schummerigen Licht der flackernden Kerzen und der Lichterketten zurück. Sie spürte, wie die vertraute Kraft durch ihre Arme strömte. Durch ihren ganzen Körper strömte. Winzige Funken sprangen wie kleine Glühwürmchen umher. Die Luft um sie herum lud sich elektrisch auf und knisterte. Sie konnte die winzigen Fäden in dem Gewebe der Energien spüren, das sie miteinander verband. Kraft sprang von einer auf die andere über.

Matt stand mit Damon, Jonas und Jackson, der durch die Küche ins Haus gekommen war, in der Tür. Die vier Männer beobachteten die sieben Frauen, wie sie Hand in Hand einen Kreis um den Weihnachtsbaum bildeten. Die Frauen boten einen wunderschönen und überirdischen Anblick. Sie hatten die Köpfe zurückgeworfen und Funken tanzten um sie herum wie ein Miniaturfeuerwerk.

Jonas versetzte Matt einen Rippenstoß. »Willkommen in der Welt der Drake-Schwestern, Matt. Und fröhliche Weihnachten.«

Matt konnte sich kein schöneres Weihnachtsfest vorstellen.

 

 

Ende Band 02 Die Drake-Schwestern - Kate

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